Wer steht hinter Tschüss Erdgas?
„Tschüss Erdgas!“ ist eine Initiative von engagierten Bürger:innen, die sich für eine bezahlbare, nachhaltige und klimafreundliche Energieversorgung in Potsdam einsetzen. Ende 2021 haben wir uns zusammengeschlossen, um eine Kampagne für eine nachhaltige Energieerzeugung in Potsdam zu organisieren. Wir sind ehrenamtlich und basisdemokratisch organisiert. Unterstützt werden wir von einer Vielzahl lokaler Gruppen: GermanZero, BUND, Fridays for Future, Extinction Rebellion, Scientists for Future, den Grünen, u.v.m., gefördert werden wir von der Bewegungsstiftung.
Was ist das Ziel von Tschüss Erdgas?
Wir wollen die Energiewende in Potsdam vorantreiben und setzen uns für eine bezahlbare, nachhaltige und klimafreundliche Energieversorgung ein. Konkret heißt das: Die Stadt Potsdam stellt die Strom- und Wärmeversorgung bis 2030 auf regenerative Energieträger um. Das ist nicht nur gut fürs Klima, sondern sichert unsere Versorgung mit Energie und schafft Arbeitsplätze vor Ort.
Was ist das Problem mit Erdgas? Erdgas ist doch gar nicht so umweltschädlich, oder?
Leider doch, denn wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Erdgas ist viel klimaschädlicher als bisher angenommen. Erdgas emittiert zwar weniger CO₂ als beispielsweise Kohle, verursacht aber hohe Methanemissionen (zum Beispiel bei der Förderung und beim Transport). Für das Klima ist dies enorm schädlich, denn jedes Methanmolekül erwärmt die Luft vielfach stärker als Kohlenstoffdioxid. Je nach veranschlagtem Zeitraum ist der Treibhauseffekt 34- bis 86-mal so hoch.
Schon 2016 machte Methan mehr als zwei Fünftel aller Treibhauseffekte (über einen Zeitraum von 20 Jahren) aus, die auf die Nutzung fossiler Energie zurückzuführen sind. Durch eine verstärkte Nutzung von Gas als Energieträger würden die Methan-Emissionen deutlich steigen. Unterm Strich könnte sich der Treibhauseffekt des Energiesektors um bis zu 40 Prozent erhöhen, wenn der Strom- und Wärmesektor von Kohle und Öl auf Erdgas umgestellt würde (Studie von 2019) .
Wie steht die Stadt dazu?
Die Stadt hat sich in ihrem „Masterplan Klimaschutz“ das Ziel gegeben, bis 2050 klimaneutral zu werden. Für den Energiesektor bedeutet das, dass noch fast 30 Jahre lang klimaschädliches Erdgas verbrannt werden soll. Damit sind wir von „Tschüss Erdgas“ nicht einverstanden. Wir finden: Das ist viel zu langsam. Der Klimawandel wartet nicht. Erdgas ist außerdem teuer und macht uns abhängig von Importen.
Die Stadt Potsdam hat die Energiewende bislang auf die lange Bank geschoben. Wir fordern stattdessen den Aufbau einer dezentralen, nachhaltigen und demokratisch kontrollierten Energieversorgung für Potsdam.
Wie wollt ihr die Energiewende angehen?
Wir wollen dazu beitragen, eine zukunftsweisende und innovative Energieversorgung in Potsdam aufzubauen. Unser Vorschlag: Ein intelligenter Mix aus Solar- und Geothermie, Photovoltaik und Umweltwärme. Die Technologien dafür existieren bereits. Um sie einzusetzen, brauchen wir eine Stadtverwaltung, die mit Weitblick und Mut agiert. Das ist bislang nicht geschehen.
Was wollt ihr konkret machen?
Ziel unserer Kampagne ist besonders das Heizkraftwerk Süd. Dort werden momentan etwa 85 % des Fernwärmebedarfs und 75 % des Strombedarfs der Stadt produziert. Das Heizkraftwerk Süd muss bis spätestens 2030 altersbedingt ersetzt werden. Ein guter Zeitpunkt, um ganz aus der Gasverbrennung auszusteigen! Eine dezentrale, nachhaltige Energieversorgung ist die ideale Lösung für Potsdams Zukunft.
Bürgerbegehren
Wie funktioniert das Bürgerbegehren?
Damit unser Bürgerbegehren erfolgreich ist, müssen wir bis September 2023 ca. 18.000 gültige Unterschriften von Potsdamer*innen sammeln. Um das zu erreichen, sind wir in den nächsten Monaten auf vielen Veranstaltungen und an vielen Straßenecken zu finden. Wenn du uns beim Unterschriften sammeln unterstützen möchtest, kannst du dich gerne bei uns melden.
Wenn wir die erforderliche Zahl an Unterschriften zusammenbekommen, ist die Stadtverwaltung verpflichtet unsere Forderung umzusetzen. Ein erfolgreicher Bürgerentscheid gleicht einem Ratsbeschluss, ist also rechtlich bindend.
Wer kann alles unterschreiben?
Die Bedingungen sind einfach: Jede*r wahlberechtigte Potsdamer*in (ab 16 Jahren) kann das Formular mit der Abstimmungsfrage unterschreiben. Nicht-Potsdamer*innen dürfen leider nicht mitgezählt werden. Aber vielleicht gibt es in eurer Kommune auch ein entsprechendes Begehren. In Berlin wird beispielsweise am 26. März 2023 an den Wahlurnen über ein fortschrittliches Klimaschutzgesetz abgestimmt. Für mehr Infos hier entlang: https://www.berlin2030.org/
Wo kann ich unterschreiben?
Wir sind ab jetzt regelmäßig im Potsdamer Stadtbild zu sehen: bei Veranstaltungen, Wochenmärkten oder in der Fußgängerzone. Wir hoffen, auf diese Weise mit vielen von euch in Kontakt zu kommen. Außerdem gibt es in ganz Potsdam Sammelstellen, also Einkaufsläden und Begegnungsorte, an denen Unterschriftenlisten ausliegen. Eine aktuelle Liste der Orte findet ihr bald hier auf der Webseite. Ihr könnt zudem einen Vordruck für Unterschriften auf unserer Website herunterladen und uns das ausgefüllte Formular per Post schicken.
Das Heizkraftwerk Süd
Ist es eine gute Idee, das Kraftwerk abzuschalten?
Ja, denn es produziert einen wesentlichen Anteil der Potsdamer CO₂-Emissionen. Mit nachhaltigen Alternativen zum Heizkraftwerk Süd können wir also erheblich CO₂ einsparen und dazu beitragen, dass Potsdam auch für zukünftige Generationen lebenswert bleibt. Und ganz nebenbei sparen wir auch eine Menge Geld, denn im Heizkraftwerk wird Erdgas verbrannt, für das wir jedes Jahr viel Geld ins Ausland überweisen – Geld, das in innovativen Technologien vor der Haustür besser angelegt wäre.
Aber ist das Kraftwerk nicht systemrelevant?
Im Moment schon. Das Heizkraftwerk Süd produziert momentan 85 Prozent des Potsdamer Energie- und 75 Prozent des Strombedarfs. In der Energiekrise, in der wir momentan stecken, zeigt sich, dass es keine gute Idee ist, sich auf einzelne (klimaschädliche) Energieträger zu verlassen, die wir aus dem Ausland importieren müssen. Durch den Umstieg auf eine erneuerbare Energieversorgung bis 2030 können wir es schaffen, unabhängig zu werden von Importen aus autokratischen Ländern. Dann wird unsere Energieversorgung auch nicht mehr an einem einzelnen Kraftwerk hängen, sondern auf verschiedene dezentrale Lösungen verteilt. Damit wird Potsdam insgesamt resilienter und krisenfester.
Was ist mit den Arbeitsplätzen?
Eine Wärmewende in Potsdam wäre ein großes Konjunkturprogramm. Statt jedes Jahr Millionen an Länder wie Russland oder Katar zu überweisen, könnten wir das Geld nutzen, um langfristig in Potsdam und Umgebung zu investieren. Dadurch entstehen neue Arbeitsplätze – und wir alle profitieren.
Alternativen
Welche Alternativen schlagt ihr vor?
Unsere Energieversorgung muss klimafreundlich sein und langfristig bezahlbar bleiben. Nichts bietet sich da mehr an als Wind, Sonne und Erdwärme. Konkret bedeutet das: Geothermie, Solarthermie, Fotovoltaik-Anlagen und Umweltwärme bilden den Wärmemix der Zukunft. Kombiniert mit intelligenten Speichermöglichkeiten, können sie je nach Jahreszeit sinnvoll kombiniert werden.
- Geothermie ist unabhängig von der Jahreszeit, aber je nach Region unterschiedlich verfügbar. In Potsdam sind derzeit Testbohrungen geplant.
- Solare Wärme durch große Solarthermieanlagen und Fotovoltaik ist besonders im Sommer verfügbar. Saisonale Wärmespeicher und Wärmepumpen machen sie auch für die kalten Jahreszeiten nutzbar.
- Umweltwärme aus Flüssen und Seen ist in Kombination mit Wärmepumpen fast ganzjährig nutzbar.
- Aktuell bereits vorhandene Energieüberschüsse aus dem Brandenburger Umland können auch für Potsdams Energieversorgung genutzt werden.
- Neubaugebiete müssen als Niedrig-/Null-Energie Häuser geplant werden.
Wie soll das alles finanziert werden?
Investitionen in nachhaltige Energieträger sind Investitionen in die Zukunft. Sie ermöglichen eine langfristige Kalkulation der Kosten und damit auch stabilere Preise. Sie sichern nicht nur unsere Energieversorgung, sondern schaffen Arbeitsplätze vor Ort, binden Know-How und ermöglichen technologische Innovation direkt vor der Haustür. Kurzum: Wer jetzt in erneuerbare Technologien investiert, profitiert langfristig.
Mit dem stetigen Wärmeabsatz ihrer Fernwärmekunden hat die EWP eine gute Bonität und gute Möglichkeiten zur Kreditaufnahme, um zusammen mit moderater Ergänzung des Eigenkapitals große Investitionen zu stemmen. Daneben ist auch eine Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Investitionen möglich und anzustreben. Beispielsweise kann Hauseigentümern und Mietern eine Beteiligung an bestimmten Projekten und Investitionen ermöglicht werden, die im Gegenzug einen verbilligten Wärmebezug ermöglicht. Die eigene Energieversorgung wird damit zu einem Teil der Altersversorgung.
Fossile Energieträger dagegen sind ökonomisch gesehen eine Katastrophe. Jahr für Jahr überweisen wir alleine aus Potsdam Millionen Euro ins Ausland für unsere Energieversorgung mit Erdgas. Das Geld fließt in den Herkunftsländern in die Exploration und den Ausbau von Erdgasfeldern, in Verflüssigungsanlagen, in Pipelines und Tankschiffe, und das ohne gesicherten Zugang zu diesem Energieträger. In Potsdam entsteht kein einziger Arbeitsplatz, und die Nutzung schadet massiv der Umwelt. Werden volkswirtschaftliche Schäden berücksichtigt, die von fossilen Energieträger verursacht werden (Dürre, Wassernotstand, etc.), fällt das Ergebnis noch eindeutiger aus.
Was ist, wenn der Wind mal nicht weht und die Sonne nicht scheint?
Der Wärmemix der Zukunft, wie er uns vorschwebt, ist auch von witterungsbedingten Schwankungen unabhängig. Lösungen wie Geothermie oder in begrenztem Maße Flusswärmepumpen liefern bei jedem Wetter Wärme. Für die natürlichen Schwankungen bei den anderen Wärmequellen (Photovoltaik, Solarthermie, …) können Thermobehälter, Biogas, Pumpspeicherkraftwerke, Batteriespeicher und Wasserstoffspeicher eine Lösung sein.
Was ist mit Wasserstoff?
Etliche wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass „grüner Wasserstoff“, der also aus erneuerbaren Energien produziert wird, mit den bisherigen politischen Weichenstellungen nicht bis 2030 in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird, um einen relevanten Anteil unserer Energieversorgung darauf aufzubauen. Sogenannter „grauer“ oder „blauer“ Wasserstoff wird unter Aufwendung großer Mengen fossiler Brennstoffe produziert und ist damit weder nachhaltig noch klimafreundlich. Hinzu kommt, dass ein großer Teil des Wasserstoffs importiert werden müsste, womit wir uns wieder von anderen Ländern abhängig machen. Unabhängig von der Herkunft des Wasserstoffs kann dies keine Lösung für einen Großteil unseres Wärmebedarfs sein, wie es die EWP plant!
Über die Hälfte der elektrischen Energie geht bei der Erzeugung von Wasserstoff mittels Strom und nachfolgender Rückverstromung verloren. Bei Importen mit Tankschiffen kommen weitere Umwandlungsschritte von Wasserstoff zu Ammoniak und wieder zurück zu Wasserstoff hinzu. Jeder zusätzliche Umwandlungsschritt benötigt kostspielige Anlagen. Die direkte Nutzung von grünem Strom mittels Wärmepumpen vervielfacht dagegen die Wärmeabgabe des genutzten Stroms. Daher sollte grüner Wasserstoff nur für einen kleinen Teil des Wärmebedarfs zum Einsatz kommen: nämlich in Zeiten ohne genügend Strom aus Sonne und Windenergie und nachrangig zu anderen Speichermöglichkeiten mit geringeren Verlusten und Kosten.