Potsdam braucht eine beschleunigte Wärmewende. Sie wird nur im Dialog mit der Bevölkerung gelingen
Sehr geehrter Herr Schubert, sehr geehrter Herr Veil,
wir schreiben Ihnen heute, um unsere Sorgen hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung der Wärmeversorgung in Potsdam zum Ausdruck zu bringen. Die Stadt und die EWP stützen ihr Handeln auf die „Dekarbonisierungsstrategie“ (2019) und den „Masterplan 100% Klimaschutz 2050“ (2017). Die darin festgehaltenen Pläne stehen jedoch nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen (2015) und dem Klimaschutzgesetz des Bundes (2021) und gefährden eine bezahlbare Wärmeversorgung für alle Potsdamer:innen.
Das Klimaschutzgesetz des Bundes sieht eine Minderung der Emissionen um 65 Prozent im Jahr 2030 und um 88 Prozent im Jahr 2040 im Vergleich zu 1990 vor. Treibhausgasneutralität soll 2045 erreicht werden. Im Pariser Klimaabkommen hat sich Deutschland sogar zu einer noch schnelleren Reduktion der Emissionen verpflichtet. In der Dekarbonisierungsstrategie für Potsdam wird jedes dieser Ziele verfehlt. Stattdessen werden über 60 Prozent der Emissionsreduktionen auf die Jahre nach 2040 verlagert.
Der notwendigen Beschleunigung der Wärmewende steht vor allem der gewählte Technologie-Mix im Wege. So soll laut Masterplan und Dekarbonisierungsstrategie auch 2050 noch etwa die Hälfte der Potsdamer Fernwärme durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt werden. In der Dekarbonisierungsstrategie sind es sogar über 50 Prozent. Das dabei benötigte Erdgas werde schrittweise durch synthetische Gase ersetzt. Der notwendige Weltmarkt für nachhaltig erzeugte synthetische Gase existiert aktuell jedoch nicht. Daher rechnet die EWP nicht damit, diesen Übergang vor 2040 vollziehen zu können.
Die von der EWP vorgeschlagene Vorgehensweise vernachlässigt zudem absehbare Preisentwicklungen. Die Verwendung von synthetischen Gasen wird aufgrund der erheblichen Verluste bei Umwandlung und Transport immer sehr viel ineffizienter und daher teurer bleiben als die direkte Nutzung von Strom. Außerdem werden im Jahr 2050 synthetische Gase größtenteils außerhalb Deutschlands erzeugt werden. Damit wird eine Importabhängigkeit im Energiesektor fortgeschrieben, die schon heute horrende Energiekosten verursacht.
Daher ist es unbedingt notwendig, jetzt mutig zu handeln und die bisherigen Planungen zu überdenken. Potsdam sollte dabei nicht um jeden Preis an KWK-Anlagen festhalten.
Das Laufzeitende des Heizkraftwerks Süd im Jahr 2030 bietet die Chance, neue und nachhaltige Wärmekonzepte für Potsdam umzusetzen. Der Masterplan für Potsdam führt richtigerweise an, dass eine moderne Wärmeversorgung auf dezentral verteilte Wärmequellen wie Solarthermie, Flusswasserwärme und Geothermie setzt. Das Fernwärmenetz in der Konsequenz zu einem Basisnetz für Sub- und Quartiersnetze umzubauen, die sich überwiegend über Wärmepumpen selbst versorgen, kommt dort leider noch nicht zur Sprache. Dies könnte für die Bestandsstadt aber schneller umgesetzt werden und wäre gleichzeitig sehr viel energiesparender, nachhaltiger und vor allem langfristig billiger als die aktuelle Strategie der EWP, die die zentralisierte Struktur des bestehenden Fernwärmenetzes erhält. Dementsprechend stehen bei der bisherigen Erschließung der neuen Wärmequellen leider viel zu sehr Neubauprojekte im Fokus.
Außerdem besteht ein erheblicher Bedarf für Strukturen und Angebote der Stadt Potsdam und der EWP im Bereich der Beratung und Förderung von Maßnahmen der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden. Das schließt insbesondere praxistaugliche Regelungen für denkmalgeschützte Gebäude ein.
Herr Schubert und Herr Veil, wir fordern Sie auf, die anstehende Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung in Potsdam entschlossen und zügig im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen anzugehen. Machen Sie die neuen Erkenntnisse der bald erscheinenden kommunalen Wärmeplanung für Potsdam zur Maßgabe für eine progressive Wärmewende in unserer Stadt und setzen Sie dabei auf einen transparenten Austausch mit der Potsdamer Öffentlichkeit.
Nur so kann eine Lösung gefunden werden, die für alle Beteiligten tragbar und zukunftsorientiert ist. Potsdam könnte so zu einem Vorbild für eine erfolgreiche und bezahlbare Transformation des Wärmesektors werden.
Unterzeichnende Organisationen
BUND Brandenburg e. V.
Extinction Rebellion Potsdam
Fridays for Future Potsdam
Grüne Jugend Potsdam
NAJU Brandenburg
Parents For Future Potsdam
Potsdam autofrei
PotsdamZero (GermanZero Potsdam)
Scientists for Future Ortsgruppe Potsdam
Tschüss Erdgas!
Unterzeichnende Einzelpersonen
Prof. Dr. Felix Creutzig, MCC Berlin und TU Berlin
Dipl.-Ing. Helge Ehrhardt, Bochum
Katharina Erbeldinger, Bündnis 90/Die Grünen Potsdam
Prof. Dr. Ursula Gaedke, Potsdam
Jonas Höhne, Bündnis 90/Die Grünen Potsdam
Dr. Michael Huber, Climate Watch Celle
Moritz Kreuzer, Potsdam
Nicolai Lorenz-Meyer, Potsdam
Dr. Detlef Männig, Potsdam
Prof. Dr. Angela Mickley, Potsdam
Jakob Niemann, Potsdam
Prof. Dr. Dr. Michael Rapp, Potsdam
Annette Reinhold, Potsdam
Tim Riedel, Berlin
Paula Romanovska, Potsdam
Dr. Jörg Romanski, Falkensee
Dr. Thomas Seifert, Hattersheim, Scientists for Future, Fachgruppe Kommunaler Klimaschutz
Dr. Markus Stark, Potsdam
Dr. Bernhard Steinberger, Potsdam und Kleinmachnow
Dr. Falko Ueckerdt, Potsdam und Berlin
Dr. Thomas Vogt, Potsdam
Dr. Martin Wadepuhl, Berlin
Eva Maria Wieczorek
Peter Windmüller, Hamburg-Bergedorf, Hamburger-Energietisch.de